Eva Maria Meintrup: Begegnungen der anderen Art
















„Willst du den Hof?“ Als ihr Vater das fragte, da war Eva Maria Meintrup gerade einmal 25 Jahre alt, eine Weltenbummlerin der Marke „Es kann gar nicht weit genug weggehen“. Vom Vollgas trat sie auf die Bremse, folgte der bäuerlichen Tradition ihrer Familie und machte etwas Eigenes daraus: eine Alpaka-Farm in Westfalen.
„Egal, was für einen verrückten Einfall ich habe, hier kann ich ihn verwirklichen.“ Eva Maria Meintrup sprüht nur so vor Ideen, als sie über ihren Hof in Rheda-Wiedenbrück führt. Ob in dem alten Backhaus wohl mal Feriengäste wohnen? Und was könnte aus dem Kornspeicher und den Schweineställen werden? Ideen für morgen hat sie viele, wobei eines heute schon feststeht: Die Westfälin packt sie an. Viel hat sie schon geschafft: die Alpaka-Ställe mit ihren Paddocks, den hübschen Hofladen, den Schwimmteich, in dem einmal Feriengäste baden sollen, die mobile Sauna, die noch laufende Sanierung des über 100 Jahre alten Haupthauses. „Ich habe einen Traum“, sagt die 32-Jährige, „ich möchte hier eine Oase schaffen, in der Menschen Tieren begegnen können und so zur Ruhe finden.“
Die Grundlage dafür bilden ihre 15 Alpakas. „Man glaubt ja gar nicht, was für einen starken Einfluss sie auf uns haben“, sagt Eva, die Bauerntochter, die in aller Selbstverständlichkeit mit Tieren groß wurde und sie später zum Kern ihrer Marke „MeinPaka“ machte. „Uns besucht ein 80-jähriges Ehepaar genauso wie ein Kindergarten oder eine Gruppe Yogis, die auf der Alpaka-Weide ihre Matten ausrollen“, zählt Eva auf und berichtet sogleich von dem durchtätowierten Hipster, der nur seiner Freundin zuliebe mitgekommen schien. Wortkarg lief er bei der gemeinsamen Alpaka-Wanderung hinterher. Erst beim Abschluss-Kaffee kam er aus sich heraus. „Er meinte, ‚ich bin so tiefenentspannt, das Gefühl kannte ich schon gar nicht mehr.‘ Ist das nicht verrückt?“



Eva lacht, aber manchmal, wenn sie von ihren Gästen erzählt, schießen ihr auch die Tränen in die Augen. Etwa bei der Mutter, die ihre beiden Kinder noch nie so erlebt habe wie hier auf dem Hof. „Das kleine Mädchen schien völlig verschüchtert, als die Familie ankam, während der Junge laufend überdrehte.“ Doch peu à peu wandte sich das Blatt: Das Mädchen kam aus sich heraus, lief bei der Wanderung munter vorneweg, und „der Junge saß 20 Minuten ganz ruhig auf der Wiese, bis er endlich ein Alpaka anlocken und füttern konnte“.

Es sind die einfachen Dinge, meint Eva, die uns aus unserem Kopfkino herausholen. Ganz gleich, ob Kind oder Erwachsener, ganz egal, welcher Menschenschlag oder welche Altersgruppe, das Ergebnis sei immer das gleiche: „Total glückliche, zutiefst zufriedene Menschen.“ Vielleicht empfindet sie ihren Hof, den ihr Vater ihr vermachte, auch deshalb als Privileg. „Es hört sich vielleicht komisch an“, überlegt sie, „aber ich fühle mich verantwortlich, etwas aus seinem Potenzial zu machen, es mit anderen Menschen zu teilen.“ Nicht umsonst absolviert sie gerade eine Ausbildung zum Life-Coach, um zukünftig auch tiergestütztes Coaching anbieten zu können. „Ich möchte mich hier verwirklichen, auf meine Weise“, ihre Stimme wird fest. Den Vorwurf, sich ins gemachte Nest gesetzt zu haben, will sie sich nicht anhören müssen.
Zumal der Plan ein ganz anderer war: Eigentlich sollte ihr Bruder den Betrieb des Vaters übernehmen. Als aus der traditionellen Nachfolge nichts wurde, ging die Frage an sie: „Willst du den Hof?“ Der Zeitpunkt war denkbar schlecht, denn die damals 25-Jährige hatte gerade ihren Bachelor „International Business“ in der Tasche und stand in ganz anderen Startlöchern. Sie liebte es, durch die Welt zu touren, hatte in Neuseeland und anderthalb Jahre in Australien gelebt. Als aber das Wort „verkaufen“ im Raum hing, da schrillten bei ihr die Alarmglocken. „Außerdem hatte ich damals schon einige Praktika und Bürojobs hinter mir. Ich wusste, nur am Schreibtisch sitzen, das kann ich nicht, da geh ich kaputt.“
2016 stiegt sie zu Hause ein, machte parallel ihren Master in Agrarwirtschaft, 2019 übernahm sie den Betrieb: 185 Hektar Land, dazu zwei Hofstellen und jede Menge Altbauten – kein Zuckerschlecken. Erst recht nicht auf dem Land und in einer eingefleischten Männerdomäne wie der Agrarwirtschaft. Aber Eva biss sich durch, strukturierte das Anwesen um und schnitt es immer mehr auf sich und ihren Lebensstil zu. „Man darf auch Sachen machen, die andere nicht begeistern“, zu dieser Erkenntnis kam sie in ihrer Coach-Ausbildung. So kooperiert sie, da der Ackerbau einfach nicht ihre Sache ist, mit einem anderen Landwirt und schuf sich hierdurch Raum für ihre Alpaka-Farm, für ihre eigenen Ideen. „Ich bin ein Freigeist, und der Hof gibt mir den Raum, in dem ich mich entfalten kann.“
Erfahrungswerte
Alpakas faszinieren. Ihr sanfter Gesichtsausdruck, ihr langmütiges Wesen machen sie zum Liebhabertier par excellence. Auch wenn Eva Maria Meintrup von ihren Alpakas spricht, ist Begeisterung spürbar. Was schätzt sie an den Tieren?
Sanftmut in Person: „Alpakas sind unfassbar neugierig und zugewandt. Sie erfreuen nicht nur die Gäste hier auf dem Hof, ich verlade sie auch auf meinen Pferdeanhänger und besuche mit ihnen Altenheime oder Hoffeste. Wird ihnen einmal eine Situation zu stressig, dann ziehen sie sich zurück. Alpakas sind sanftmütige Tiere, sie beobachten gerne. Den stressfreien Umgang mit ihnen habe ich in einem Kurs gelernt, das war wirklich wichtig.“
Saubere Haltung: „Alpakas benötigen eine Weide und einen Unterstand, ihre Haltung ist durchweg einfach. Im Winter fressen sie Heu, im Sommer Gras, dazu etwas Mineralfutter. Die Tiere sind sauber, sie koten immer im gleichen Bereich, so lassen sich Stall und Paddock leicht säubern. Ihr Fell besitzt kein Wollfett, Schmutz kann nicht anhaften, eine Fellpflege ist nicht notwendig.“
Herdenleben: „Wie bei Pferden spricht man bei Alpakas von Stuten und Hengsten. Aktuell leben auf meinem Hof 15 Tiere. Einige Fohlen, die hier nach zwölfmonatiger Tragezeit geboren werden, verkaufe ich später, manche behalte ich aber auch, um meine Herde auszubauen. Mehr als 20 Alpakas sollen es aber nicht werden. Meine Hengste sind alle kastriert, als Wallachen leben sie in meiner Wanderherde. Die Stuten dienen allein der Zucht.“
Feinste Naturfasern: „Einmal im Jahr muss ein Huacaya-Alpaka, wie ich sie halte, geschoren werden. Da das gar nicht leicht ist, lasse ich da einen Profi ran. Pro Tier kommen bis zu fünf Kilo leicht gekräuselte Wolle zusammen, in meinem Falle entstehen daraus Schuheinlagen und warme, federleichte Bettdecken. Das ‚Vlies der Götter‘, wie die weichen Fasern bei den Inkas genannt wurden, ist von Natur aus thermoregulierend, zudem nimmt es keine Körpergerüche an.“
Bildnachweis: Callwey Verlag (Ulrike Schacht)